Havanna: A lo cubano - auf nach Kuba
18. Oktober 2015 - Ich komme mittags in Havanna an und beziehe unsere Unterkunft. Neben Hotels gibt es hier sogenannte Casa Particulares, dabei handelt es sich um Privatunterkünfte. Kubaner vermieten meist als Zuverdienst zu ihrem unterbezahlten Job ein oder zwei Zimmer ihrer Wohnung an Touristen unter. Für Kuba ist das gängig, für uns günstig. Die Preise sind von der Regierung vorgegeben, verhandeln und vergleichen bringt also nichts. Die Zimmer sind liebevoll eingerichtet und man bekommt ein Stück echtes kubanisches Leben mit auf den Reiseweg. Nebenbei kocht und wäscht die Gastmutti, es ist also fast wie damals im Hotel Mutti.
Als ich ankomme, ist mein reserviertes Zimmer jedoch belegt. “No pasa nada!” - “gar kein Problem”, meint der nette Cubano. Sofort wird telefoniert und ich werde an den Nachbarn verwiesen. Kubaner sind erstklassig vernetzt, man tauscht sich aus und hilft sich weiter. Benötigt man ein Zimmer oder will seine Weiterreise planen, wird man sofort an den Nachbarn, die Cousine oder die Tante vermittelt. Nun bin ich nebenan bei Martín und seiner Frau untergebracht und bekomme gleich ein ganzes Apartment verpasst. Wieder ein super Deal für insgesamt 25 Dollar pro Nacht. Zwar ist die Wohnung im Stil der 50er oder 60er Jahre (außer ein Röhrenfernseher aus den 80ern) eingerichtet, aber mir gefällt es. Ich nehme eine Dusche und komme an den Duschkopf, dieser wird irgendwie mit Strom gespeist um die Temperatur zu regeln. Komisch! In und aus dem Duschkopf ragen Kabel, sehr seltsam. Immerhin bekomme ich nur einen kleinen Stromschlag. Ich passe von nun an besser auf.
Frisch gedröhnt und geföhnt sowie fein gescheitelt fahre ich wieder zum Flughafen um Andrea abzuholen. Während ich warte, kommen drei Maschinen aus Miami an. Nach der Lockerung des Embargos mit den USA ist die Einreise wohl schon etwas einfacher. Es kommen aber in erster Linie Exilkubaner an, die ihre Familien wohl längere Zeit nicht gesehen haben. Dramatische Begrüßungsszenen spielen sich am Flughafen ab, es fließen ohne Ende Tränen. Dann kommt auch endlich Andrea an.
Wir besichtigen am nächsten Tag die Stadt. Ich liebe Havanna. Man kommt sich vor, wie in einem Roman oder einem klassischen Film, wie in einer anderen Zeitepoche. Gebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert - wunderschön aber stark renovierungsbedürftig. Überall fahren Oldtimer aus den 50er und 60er Jahren herum, herrlich. Die Altstadt ‘Havanna Vieja’ dagegen ist ein Schmuckstück - koloniale Pracht, für die Touristen herausgeputzt. Wir lassen uns zu einer Stadtrundfahrt in einem 62er Chevi überreden. Das Fahrzeug ist pink und hat es Andrea sofort angetan, unser Fahrer Angel erzählt viel über das Leben in Kuba. “Ich bin eigentlich Ingenieur, war fünf Jahre auf der Uni. Aber die Regierung zahlt mir umgerechnet nur 26 Dollar pro Monat”. Das ist zu wenig, um zu überleben. Als Chauffeur von Touristen macht er bei 20% Umsatzbeteiligung an guten Tagen 20 Dollar - plus Trinkgeld. Und so geht es den meisten Kubanern, man muss sehen, wie man zusätzlich an Geld kommt. Ein 50 Jahre altes Auto kostet zwischen 20.000 und 30.000 Dollar, unvorstellbar. Aber Fahrzeuge sind schwer zu bekommen, die Nachfrage bestimmt den Preis. Leisten kann sich das niemand, aber die Verwandtschaft in den USA hilft meistens mit Geld aus, unterstützt die Familie und hält auch so die kubanische Wirtschaft über Wasser.
An unserem letzten Abend besuchen wir noch den Buena Vista Social, wo kubanische Ü70 Musikikonen diverse Klassiker zum besten schmettern. Nicht schlecht! Wir haben einen guten Start in Havanna und fahren weiter nach Viñales in die Berge - zu Kaffee- und Tabakfeldern. Natürlich wurden wir bereits an eine Casa Particular verwiesen - Netzwerk halt.
Oldtimer Stadtrundfahrt
Malecón
Malecón
Malecón
Plaza de la Republica
Zeitraffer: 30. Oktober 2015 – 2 Wochen später sind zurück in Havanna und in einer netten Casa Particular in der Altstadt untergekommen. Ich nutze meine die letzten Stunden und fotografiere alte Männer mit Zigarren, Omis mit schweren Lasten auf dem Kopf und Kinder, die auf der Straße spielen. Ich laufe abseits der Touri-Pfade und mir gelingen tolle Bilder vom echten Kuba, abseits von Havanna Vieja und der All-Inclusive-Welt.
Am nächsten Morgen heißt es auch für mich, Kuba ‘Adiós’ zu sagen. In diesen letzten Stunden bekomme ich noch einmal eine Ladung Kommunismus und später den geballten Kapitalismus zu spüren. Ich komme 5 Uhr morgens am Flughafen Havanna an, es ist wenig los, das Einchecken verläuft reibungslos. Ich habe noch nicht gefrühstückt und suche eine Cafeteria. Ich passiere einige Geschäfte - ein Souvenirshop, eine Apotheke und einen Musikladen. In jedem Laden schläft ein Verkäufer, mal den Kopf auf den Tisch gelegt, mal nach hinten angelehnt. Da will man nicht stören. Ich komme in die Haupthalle, wo sich in der Mitte eine recht große Cafeteria befindet. Ich durchstöbere die Vitrinen, wo normalerweise das Essen ausgestellt ist. Kaum etwas zu finden, in einem großen Glaskasten liegen vereinsamt ein Schinken/Käse und ein Salami/Käse Sandwich, Kaffee gibt es auch. Die Auswahl fällt bei zwei Optionen nicht schwer, die genervte Angestellte erbarmt sich und bedient mich, sie würde bestimmt auch lieber schlafen. Das Frühstück schmeckt, aber diese Leere und Teilnahmslosigkeit sind sinnbildlich.
Dann fliege ich los und lande in Panama City zwischen. Plötzlich der Kulturschock. Zu meinem neuen Gate muss ich Hunderte Meter laufen, vorbei an Geschäften und Konsumtempeln. Apple, Sony, Dunkin Donuts und Versace. Alles, was man sich bei uns vorstellen und in Kuba nicht vorstellen kann: perverse Produktvielfalt und kalorienhaltiges Fast Food ohne Ende - ein Gegensatz wie Tag und Nacht. Das hatte ich fast vergessen, muss das erstmal auf mich wirken lassen. Zudem gibt es kostenloses WLAN. Emails und WhatsApps aus zwei Wochen Enthaltsamkeit trudeln ein. Man ist wieder im 21. Jahrhundert angekommen.
Der zweite Etappenflug von Panama City nach Managua wird noch einmal spannend. Zum einen wird es so heiß im Flugzeug, dass ich bereits befürchte, wir verglühen. Irgendetwas muss mit der Klimaanlage nicht stimmen, alle hecheln nach Luft, sehr beunruhigend, die Stewards können auch keine Auskunft geben. Gott sei Dank ist der Flug nur sehr kurz. Dafür überfliegen wir bei klarer Sicht die Vulkane Madeira, Concepción, Mombacho und Masaya. Eine fantastische Aussicht lenkt kurz von den saunahaften Verhältnissen ab. Dann landen wir und es gibt wieder frische Luft.
Blick auf das Kapitol
Zerfallen aber mit Charme - Havannas Innenstadt
Vor dem Kapitol
Altstadt
Kubanische Mama
Straßenszene in Havanna
Abseits der Altstadt - das echte Havanna
Fumando...